Hummelflug

In Arbeit und noch zu überprüfen

Es wird häufig gesagt, Hummeln könnten theoretisch gar nicht fliegen. Andere meinen, sie könnten es doch, und begründen das allerdings in frag­würdiger Weise, etwa indem sie – fern von kon­ventioneller Physik – erklären, Hummeln erzeugten im Fluge einen Wirbel, an dem die sich abstützten.

Wie läßt sich der Hummelflug vernünftig erklären?

Eine Hummel hat eine Masse \(M\) von gut einem Gramm. Ihr Gewicht \(G = Mg\) beträgt also etwa 10-2 N. Um in der Luft zu schweben, braucht sie deshalb einen Schub S dieser Stärke. Sie produziert ihn, indem sie mit ihren Flügel­schlägen Luft abwärts bläst. Man kann dies gelegent­lich spüren, wenn einem eine Hummel dicht über einer Hand schwebt. Der Rück­stoß dieser Luft trägt ihr Gewicht.

Durch die Fläche Q, in der ihre Flügel arbeiten, hindurch pumpt die Hummel mit der Durchtritts­geschwindig­keit \(v_D\) Luft als Strahl nach unten. Dieser Strahl verjüngt sich nach unten, und seine Geschwin­dig­keit nimmt nimmt dabei von \(v_D\) auf \(w\) zu.

Bem Schweben in konstanter Höhe ist die umgebende Luft in Ruhe. Im Steig­flug mit der Ge­schwin­dig­keit \(v_↑\) (entgegen der Strahl­richtung) liefert das Flügel­paar (beim Hub­schrauber der Rotor) dem Schub­strahl die Leistung \begin{align} &P_\text{geliefert}\\ &= \small\text{Schub}\cdot \text{ Durch­tritts­geschwin­dig­keit} \\ &=\dot{m}\left(w-v_\uparrow \right)v_D. \end{align} Darin ist \(\dot{m}\) die Rate der hin­durch­tretenden Luft­masse \(m.\) Sie ergibt sich aus der zu tragenden Masse \(M\) als \[ \dot{m}=\frac{gM}{w-v_\uparrow} \]

Die zugeführte Leistung findet sich wieder im Schub­strahl als Strahl­leistung \[ P_\text{Strahl}=\frac{\dot{m}}{2}\left(w^2-v_\uparrow^2 \right). \] Aus dieser Erhaltung der Leistung ergibt sich \begin{align} &\underbrace{\overbrace{\dot{m}\left(w-v_\uparrow\right)}^\text{Schub} v_D} _\text{an den Strahl geliefert} = \underbrace{\frac{\dot{m}}{2}\left(w^2-v_\uparrow^2 \right)}_ {\text{im Schubstrahl}}\\ &\to v_D=\frac{w+v_\uparrow}{2}\\ & \text{ oder } \boxed{w =2 v_D-v_\uparrow} \end{align}

Bei konstanter Schwebe­höhe \((v_\uparrow=0)\) verdoppelt sich also die Durch­tritts­geschwindig­keit \(v_D\) auf die Strahl­geschwin­dig­keit \(w\), und die benötigte Schwebe­leistung ist \begin{align} P_\text{Schwebe} = \frac{\dot{m}}{2}\,w^2. \end{align}

Bei einer Luft­dichte ρ ist die Luft­massen­rate \(\dot{m}=Q\varrho v_D \). Der Schub – betrags­mäßig gleich dem Gewicht – entsteht damit gemäß dem zweiten Newton­schen Gesetz in der Stärke \begin{align} S=G&=\dot{m}w\\ &= Q\varrho v_D w =Q\varrho \frac{w^2}{2}. \end{align} Die erforderliche Strahl­geschwin­dig­keit ist ent­sprechend \[ w = \sqrt{\frac{2G}{Q\varrho}}. \] Wie hängt die erforderliche Schwebe­leistung von der Traglast \(M\) und von der Rotor- bzw. Blattfläche ab?

Die Schwebe­leistung ist mit der genannten Luft­massen­rate \(\dot{m}\) gleich \begin{align} P_\text{Schwebe} &= \frac{\dot{m}}{2}\,w^2 =\frac{gMw}{2}\\ &=\sqrt{\frac{(gM)^3}{2Q\varrho}}. \end{align} Mit zunehmender Traglast \(M\) nimmt sie mit \(M^{3/2}\) zu.
Je schwerer ein Hub­schrauber bei gegebenem Rotorradius ist, desto mehr Schwebe­leistung braucht er.

Mit zunehmender Strahl­fläche \(Q\) verringert sie sich proportional zu \(1/\sqrt{Q}\), d. h. bei einem Hub­schrauber­rotor mit dem Radius \(r\) proportional zu \(1/r\).
Je größer der Hub­schrauber­rotor­radius bei gegebener zu tragender Masse \(M\) ist, um so weniger Schwebe­leistung ist erforderlich.

Zahlenbeispiele:

Mit \(Q≅ 400\text{ mm}^2\) und \(\varrho≅1\text{ kg/m}^3\) beträgt die Strahl­geschwin­dig­keit bei einer Hummel mit \(M=0.001\text{ kg}\) etwa \(w=7\text{ m/s}\).

Ein leichter R22-Hubschrauber mit \(Q=46\text{ m}^2\) und einer Masse \(M= 621\) kg erfordert eine Strahlgeschwindigkeit von \(w=16.4\text{ m/s}\).

Pro Sekunde bläst die Hummel wie auch jeder Hub­schrauber bei konstanter Schwebe­höhe mit dieser Strahl­geschwin­dig­keit pro Sekunde die Luf­tmassen­rate \begin{align} \dot{m}&=\frac{G}{w} =\frac{gM}{w}=0.0014\text{ kg/s}\\ \end{align} abwärts.

Beim R22-Hubschrauber wäre \(\dot{m}= gM/w=390\text{ kg/s} \).

In allen Fällen ist das Verhält­nis von Luft­massen­rate zu der zu tragenden Masse gleich \[ \frac{\dot{m}}{M} = \frac{g}{w}. \] Als erfor­der­liche Schwebe­leistung (z. B. in Nm/s) ist \[ P_\text{Schwebe} = \frac{g}{2}\,M w \] aufzubringen.

Bei einer Hummel mit 1 g Masse also 35 mW, bei einem leichten Hub­schrauber mit 1000 kg Masse etwa 34 kW entsprechend ca. 45 PS.

Ergebnis

Hummeln können offenbar durch ihren Flügel­schlag den nachweis­baren Luft­strahl erzeugen, dessen Rück­stoß sie trägt und auch voran­bringt. Hummeln können also fliegen und zwar sogar theoretisch.

Nach dem gleichen Prinzip und nach den gleichen Formeln wie hier fliegen auch Hub­schrauber.

Strahl­geschwin­dig­keit, Luft­massen­rate für den Strahl und erfor­der­liche Leistung, um der Körper in der Schwebe zu halten, nehmen alle proportional zur Wurzel der zu tragenden Masse zu.

© Günter Green     zurück
  3-Okt-2018

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