Eine Antwort findet man bei Fitzpatrick unter 'Rotational Flattening'.
Ich will unabhängig davon versuchen, diese einfachklingende Frage hier zu beantworten.
Bereits einige Jahre bevor Hekataios seine Erdkarte zeichnete,
entstand allerdings schon der Gedanke, die Erde sei eine Kugel.
Er tauchte seit Pythagoras, einem Philosophen und Mathematiker aus Samos,
immer wieder auf, konnte sich jedoch
gegenüber den herrschenden Lehren der Priester,
wonach die Erde eine Scheibe war, nicht durchsetzen.
Erst etwa 200 Jahre später wurden u. a. von Aristoteles
indirekte Beweise für die Kugelgestalt angeführt:
Erst Christoph Kolumbus habe als einer der ersten Menschen
an die Kugelgestalt der Erde geglaubt.
(Quelle)
Bei Messungen der Erdfigur ergab sich, daß der Radius am Äquator mit 6378 km um 21.38 km länger ist als die Radien an den Polen mit 6357 km. Die Erdkugel ist also etwas abgeplattet und nimmt in nächster Näherung die Formeines Rotationsellipsoids an. Örtliche Abweichungen davon wie Gebirge seien hierbeiunberücksichtigt.
Modelle, die die Gleichgewichtsfigur von rotierenden Himmelskörpern auch unter dem Einfluß von Inhomogenitäten quantitativ untersuchen, werden bei Wikipedia angesprochen, allerdings auch hier ohne daß selbst in den einfachsten Fällen eine theoretische Herleitung der Abplattung beschrieben wird.
Folgende Annahmen sind für eine Herleitung denkbar und sollen hier im Hinblick auf die Verformung der Erdkugel durch die Fliehkraft und eine Berechnung der Radiendifferenz geprüft werden:
Dies soll im Folgenden kurz skizziert werden. Die Gravitationskraft, also das Gewicht eines Element \(m,\) ist \[ G = -m g, \] Ihr Potential ist als Funktion der Höhe \(h\) über dem Boden \[ \varphi =mg \left(R_\text{E}+h\right). \] Darin ist \(R_\text{E}=6369.6\) km der Radius einer idealen Erdkugel ohne Verformung durch Fliehkraft.
Es ist \[ G \equiv -\frac{\partial\varphi}{\partial h}. \]
Die Flieh- oder Zentrifugalkraft \(F\) nimmt bei der geografischen Breite \(\beta\) mit dem Abstand \(\varrho(\beta)= R_\text{E}\cos\beta\) von der Rotationsachse zu \begin{align} F(\beta) &= m\varrho(\beta)\, \omega^2\\ &= m R_\text{E}\cos\beta\;\omega^2. \end{align} Hierin ist \(\omega = 7.292115\cdot10^{-5}/\text{s}\;\) bzw. \(\;\omega^2= 53.175\cdot10^{-10}/\text{s}^2\).Durch die Zentrifugalkraft verformt sich die Erdkugel zu einem Rotationsellipsoid. Ihr Radius nimmt entlang eines Meridians die Breitenabhängigkeit \[ R(\beta) = \frac{3h}{2}\,\cos(2\beta)+R_\text{E} - \frac{h}{2} \] an, wobei das Erdvolumen erhalten bleibt. Die Zentrifugalkraft \(F\) ist viel schwächer als die Gravitationskraft. Sie hat ihr Maximum am Äquator mit 0.003386 m/s^2, also mit nur gut 0.3 Prozent der Gravitationskraft \(G\).
Zu ihr gehört das Potential \[ \psi(\beta) = -m\frac{\varrho(\beta)^2}{2}\,\omega^2. \] Damit ist \[ F(\beta) = -\frac{\partial \psi}{\partial \varrho}. \] An den Polen wirkt keine Fliehkraft. Dort bei \(\beta=90°\) besteht bei einer Absenkung des polaren Erdradius um \(2h\) (siehe Volumenerhaltung) das Gesamtpotential an der Meeresoberfläche nur aus dem Gravitationspotential \[ \Phi_\text{P} = mg\left(R_\text{E}-2h\right). \] Am Äquator bei \(\beta=0°\) senkt die Fliehkraft das Gesamtpotential an der Meeresoberfläche ab auf \begin{align} \Phi_\text{Ä} &= mg\left(R_\text{E} +h\right)\\ &- m\,\frac{(R_\text{E}+h)^2}{2}\,\omega^2. \end{align} Wenn auf einer Äquipotentialfläche das Potential am Äquator gleich dem an den Polen sein soll, also \(\Phi_\text{Ä} = \Phi_\text{P}\), dann muß gelten \begin{align} & \underbrace{g\left(R_\text{E}+h\right)-\frac{(R_\text{E}+h)^2}{2}\,\omega^2}_\text{Äquator}\\ &=\underbrace{g\left(R_\text{E} -2h\right)}_{\text{Pol}}. \end{align} Diese Potentialbilanz führt auf eine quadratische Gleichung \[ \boxed{ h^2 + p h + q=0} \] für die Höhe \(h\) mit \begin{align} p &= -2\left(\underbrace{\frac{3g}{\omega^2}}_{5.53\cdot10^9} -\underbrace{R_\text{E}}_{6.369.6\cdot10^6} \right)\\&\approx-\frac{6g}{\omega^2} =-1.1056\cdot10^7\text{ km,}\\ %& \approx 2\frac{3g}{\omega^2} \approx 1.12\cdot10^{10}\text{ km,}\\ q &=R^2_\text{E} = 4.0572\cdot10^7\text{ km}^2. \end{align}
Die quadratische Gleichung hat die beiden Lösungen \begin{align} h &=-\frac{p}{2}\pm\sqrt{\left(\frac{p}{2}\right)^2-q}\\ &=\frac{p}{2}\left(-1 \pm\sqrt{1-\frac{4q}{p^2} } \right)\\ &\approx\frac{p}{2}\left( -1\pm\left(1-\frac{2q}{p^2}\right)\right)\\ &=\left\{\begin{array}{l} \displaystyle-\frac{q}{p} =\frac{R^2_\text{E}}{\displaystyle\frac{6g}{\omega^2} - 2R_\text{E}}\\ \approx\displaystyle\frac{\omega^2R^2_\text{E}}{6g} =3.669\text{ km}\\ -p + \displaystyle\frac{q}{p} \end{array}\right. \end{align} Mit dem oberen Vorzeichen der Wurzel ergibt sich als Höhe \[ \boxed{ h=-\frac{q}{p}=3.669\text{ km},} \] ein etwa um den Faktor 2 zu niedriger Wert. Der Betrag der Höhe wäre immerhin etwa halb so groß wie die erwarteten 7 km.
In der obigen quadratischen Gleichung und damit auch in ihren Lösungen kommt die Dichte der Erde nicht vor. Die obige Näherung für ihren Koeffizienten \(p\) läßt aber erkennen, daß die äquatorielle Erhöung proportional zur Erdbeschleunigung \(g(R_\text{E})=GM_\text{E}/R_\text{E}^2\) ist mit der Gravitationskonstanten \(G.\) Deshalb würde die Erhöhung \(h\) am Äquator umso kleiner bleiben, je größer die Erdmasse \(M_\text{E}\) wäre.
Wenn – anders als bisher hier verwendet – die Erde nicht homogen ist sondern kugelsymmetrisch bei gleichem Volumen und gleicher Masse die Dichte in ihrem Kern wesentlich höher ist als in ihrer Kruste, dann blieben im Außenraum Gravitations- wie Zentrifugalpotential sowie die Erdbeschleunigung \(g\) ungeändert. Solche Inhomogenität hätte, deshalb keinen Einfluß auf die Berechnung der Abplattung.
Mit dem unteren Vorzeichen in der obigen Lösung der quadratischen Gleichung
wäre die Höhe \(h\) riesig und deshalb ungeeignet.
Läßt sich die Differenz zum Meßwert erklären?
Ein Versuch:
Würde man bei der Erdrotation
die Winkelgeschwindigkeit \(\omega\) höher
als \(7.29\cdot10^{-5}\)/s mit \(\omega=10.05\cdot10^{-5}\)/s,
also etwa 38 Prozent höher, annehmen, dann ergäbe
sich – zumindest
betragsmäßig – wie erwartet die Höhe \(h=7\,\text{km}\).
Solch höhere Rotationsrate könnte in der Frühzeit der Erde vorgelegen haben.
Beobachtet wird, daß sich die Tagesdauer
pro hundert Jahre um etwa 1.7 ms auf den heutigen Wert verlängert.
Die gemessene Radiendifferenz könnte sich also
vor langer Zeit eingestellt
und sich danach erhalten haben.
Tatsächlich trägt wegen Erhaltung des Drehimpulses \(\vec{L}=J\vec{\omega}\) schon die Erdabplattung selber zur Verlangsamung der Rotation bei, weil die Verschiebung von Masse in Richtung zum Äquator und damit zu größerem Rotationsradius das Trägheitsmoment \(J\) der Erde vergrößert.
Fragen dazu:
Wegen der Erhaltung des Drehimpulses würde sich die Winkelgeschwindigkeit der Erdrotation dabei um etwa 0.22 Prozent; erniedrigen, was wegen der damit abnehmenden Fliehkraft einer Abplattung entgegenwirken würde.

Der Winkel \(\alpha\) zählt gegen die Erdradialrichtung. Um den gleichen Winkel müßte die Erdoberfläche von der Horizontalen abweichen, wenn sie im rechten Winkel zur Summe aus Gravitations- und Fliehkraft liegen soll. Für ihre Steigung entlang eines Meridians müßte also gelten \[ R'(\beta)\equiv\frac{\partial R}{R_\text{E}\partial\beta} = -\tan\alpha. \] Mit \begin{align} &\tan\alpha =\frac{\sin\alpha}{\cos\alpha} =\frac{\sqrt{1-\cos^2\alpha}}{\cos\alpha}\\ &=-\frac{x-90°}{|x-90°|}\sqrt{\frac{1}{\cos^2\alpha}-1}. \end{align} erhält man nach kurzer Rechnung \begin{align} &\tan\alpha(\beta)\\ &=\frac{x-90°}{|x-90°|}\sqrt{\frac{1+k\left(2+k\right)\cos^2\beta}{\left(1+k\cos^2\beta\right)^2} - 1}\\ &= \frac{x-90°}{|x-90°|}\frac{k\cos\beta\sqrt{1-\cos^2\beta}}{1+k\cos^2\beta}\\ &=\frac{x-90°}{|x-90°|}\frac{k\cos\beta\sin\beta}{1+k\cos^2\beta}\\ &=\frac{k}{2(1+k\cos^2\beta)}\,\sin(2\beta)\\ &\approx \frac{k}{2}\sin(2\beta). \end{align} Die Näherung für \(k\ll1\) ist in Abb. 3 mit den urprünglichen Funktionen zu vergleichen. Damit wäre der Erdradius als Funktion der geografischen Breite \begin{align} R(\beta)&\approx R_\text{E} \frac{k}{2} \int \sin(2\beta')\text{ d}\beta'+R(0)\\ &= -R_\text{E}\frac{k}{4}\,\cos(2\beta)+R(0). \end{align}

Die gesuchte Radiendifferenz ergäbe sich schließlich als \[ \boxed{ \begin{align} \Delta R&= R(0)-R(\pm90°) \approx \frac{k}{2} R_\text{E}\\&=0.5\cdot0.003\cdot 6369.3 \text{ km}\\ &= 9.554 \text{ km,} \end{align} } \] wie auch Abb. 4 zeigt. Dieser hier berechnete Wert ist also um 11.8 km zu klein und damit weniger als halb so groß wie der gemessene Wert von 21.38 km.
Dies müßte noch geklärt werden, wie es bei der ersten Annahme oben auch schon versucht worden ist.
Es bleibt also zu klären, warum seine und meine hier berechnete Radiendifferenz voneinander und vom Meßwert abweichen, obwohl beide Rechnungen von der ortsabhängigen Gravitations- und Fliehkraft und deren Potentialen ausgehen und beide eine Äquipotenfläche als Erdoberfläche fordern.
Fitzpatrick verwendet als Fliehkraftpotential \(\chi\), wie es in der dortigen Gleichung (913) berechnet und in (914) bis (917) verwendet wird. Laut (913) wäre es mit den hier verwendeten Variablen und \(\theta=90°-\beta\) \begin{align} \chi(r,\beta)&=-\frac{\omega^2 R^2_\text{E}}{3}\left(1-P_2(\sin\beta) \right)\\ &= -\frac{\omega^2 R^2_\text{E}}{3}\left(1-\frac{3\sin^2\beta-1}{2} \right)\\ &=-\frac{\omega^2 R^2_\text{E}}{2} \cos^2\beta \end{align} in Übereinstimmung mit dem hier benutzten \[ \psi(\beta) = -m\,\frac{\varrho^2(\beta)}{2}\,\omega^2. \] Das Gravitationspotential \(\varphi\) wird bei Fitzpatrick nicht explizit angegeben. Aus (916) wäre aber mit der Gravitationskonstanten \(G= 6.672 59\cdot10^{-11} \text{N m}^2 / \text{kg}^2,\) dem mittleren Radius \(R=6.371\cdot10^6\) m und der Erdmasse \(M = 5.972\cdot10^{24}\text{ kg}\) zu schließen \[ \varphi(\beta) = \frac{GM}{R}\left(1+\frac{2}{15}\,\varepsilon\left(3x^2-1\right) \right). \]
Aus \(\varphi+\chi=\text{const}\) folgert der Author schließlich mit \(\omega = 7.29245\cdot10^{-5}\)/s \begin{align} \varepsilon&=\frac{R_\text{Äqu}-R_\text{Pol}}{R} = \frac{5}{4}\,\frac{\omega^2 R^3}{G M}\\ &=1.25\frac{7.29245^2\cdot10^{-10}\cdot6.371^3\cdot10^{18}} {6.672 59\cdot10^{-11}\cdot 5.972\cdot10^{24}} %\\&=1.25\frac{53.18\cdot10^{-10}\cdot6.371^3\cdot10^{18}} %{6.672 59\cdot10^{-11}\cdot 5.972\cdot10^{24}} \\ &=4.31\cdot10^{-3} \end{align} und damit \[ \Delta R = R\; \varepsilon=27.3\text{ km}. \]
© Günter Green
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12-Jan-2023